Biofeedback Anwendung & Wirksamkeit

Bedingt durch die Vielfältigkeit der Sensoren sind auch die Anwendungsgebiete von Biofeedback und Neurofeedback an Umfang kaum einzugrenzen (mit ziemlicher Sicherheit sind bisher nicht alle Anwendungsgebiete bekannt). Die primären Einsatzbereiche liegen in den Feldern von Psychosomatik, Schmerztherapie, Psychologie und Psychotherapie. Über diese therapierenden Ansätze hinaus wird die Methode auch verstärkt im nicht klinischen Bereich wie der Erreichung von Spitzenleistungen im Sport und Beruf sowie in Training und Coaching genutzt.

Bezüglich eines Wirknachweises sind (neben unzähligen Berichten von Anwendern aus der Praxis) auch mittlerweile große Mengen an wissenschaftlicher Literatur vorhanden. Die US-amerikanische AAPB hat in ihrem 2016 veröffentlichten Review unter anderem folgende Anwendungsgebiete als wirksam oder wahrscheinlich wirksam genannt.

Wirksam und spezifisch:

  • ADHS

Wirksam:

  • Kopfschmerz bei Erwachsenen
  • Angst und Angstörungen
  • Muskelbezogener orofacialer Schmerz
  • Nicht-kardialer Brustschmerz
  • Haltungsbezogene Schmerzprobleme
  • Verstopfung
  • Depressive Störungen
  • Diabetes Mellitus: Glykämische Kontrolle
  • Epilepsie
  • Erektile Dysfunktion
  • Fäkalinkontinenz
  • Bluthochdruck
  • Reizdarmsyndrom
  • Präeklampsie
  • Morbus Raynaud
  • Schmerz durch Kiefergelenkkrankheiten (TMJD)

 

Wahrscheinlich wirksam:

  • Alkohol/Substanz-Missbrauch
  • Arthritis
  • Asthma
  • Autismus
  • Chemobrain
  • Muskelbezogener Schmerz im unteren Rücken
  • Verkrampfung und Phantomschmerz
  • Schmerzsyndrome des Beckenbodens
  • Subluxation der Patella und Patellofemoraler Schmerz
  • Krebsbezogener Schmerz
  • Diabetes Mellitus: Diabetische Geschwüre
  • Fazialisparese
  • Fibromyalgie
  • Schlafstörungen
  • Reisekrankheit (Motion Sickness)
  • Leistungssteigerung
  • Posttraumatische Belastungsstörung
  • Repetitive-Strain-Injury
  • Tinnitus
  • Schädel-Hirn-Trauma und PTBS
  • Harninkontinenz bei Kindern
  • Harninkontinenz bei Männern
  • Harninkontinenz bei Frauen

Möglicherweise wirksam:

  • Zerebralparese
  • Schmerz vom Karpaltunnel-Syndrom in Zusammenhang mit Spannung im Oberarm und der Nackenmuskulatur
  • Myofaszialer Schmerz/Triggerpunkt bezogener Schmerz
  • Schleudertraume
  • PMS und Menstruationsbeschwerden
  • Schmerz von spastischen Muskeln und Muskelspasmen
  • COPD
  • Koronare Herzkrankheit
  • Diabetes Mellitus: Claudicatio intermittens
  • Funktionaler/Wiederkehrender Bauchschmerz
  • Hyperhidrose
  • Immunfunktion
  • Schlaganfall
  • Vasovagale Synkope

Häufige Anwendungsgebiete Bio- und Neurofeedback

Stress & Burnout

Biofeedback wird im Rahmen der Behandlung von Stress eingesetzt, um diesen zu therapieren, wenn die Beschwerden bereits überhandgenommen haben, als auch um zu verhindern, dass solche Beschwerden überhaupt auftreten (Prävention). Von EMG-Training, Atemtraining, HRV usw. werden hier eigentlich alle vorher genannten Biofeedback-Modalitäten genutzt.

Verschiedene Feedbacks wie z. B. eine Blume, welche sich immer weiter öffnet, können die Probanden dabei unterstützen, die Entspannung immer weiter fortschreiten zu lassen. Auch als (nicht-klinisches) generelles Entspannungstraining wird Biofeedback genutzt, um aktiv Phasen der Erholung in den Alltag zu integrieren.

Video: Biofeedback bei Burnout   ▶ 

Schmerztherapie

Die Schmerztherapie ist neben Stress und Burnout, wohl der Bereich für den die Arbeit mit Biofeedback am Bekanntesten ist. Biofeedback ist bestens dafür geeignet den Teufelskreis des chronischen Schmerzes (Schmerz, Stress, mehr Schmerz – selbstaufschaukelnd) zu begegnen.

Meist wird hier mittels EMG-Biofeedback gearbeitet (z.B. bei Spannungskopfschmerzen, Rückenschmerzen, Bruxismus. In der Migränevorbeugung hat sich Temperatur-Biofeedback als hilfreich erwiesen.

Video: Biofeedback bei chronischen Schmerzen   ▶ 

Angststörungen

Biofeedback wird auch bei Angststörungen sehr erfolgreich eingesetzt. Auf der einen Seite wird mittels allgemeinem Entspannngstraining das generelle Erregungsniveau gesenkt (was dazu führen soll, dass Angstattacken an sich weniger auftreten).

Andererseits wird auch Expositionstraining genutzt, wobei Bilder von den angstauslösenden Reizen präsentiert werden, damit Probanden lernen mit diesen umzugehen.

Depression

Biofeedback kann die Ziele von kognitiven und verhaltenstherapeutischen Interventionen unterstützen und zur Verbesserung der Selbstwirksamkeit oder der kognitiver Überzeugungen beitragen.

Eine Studie welche unter anderem HRV-Biofeedback nutzte, kam zu dem Schluss, dass Biofeedback eine nützliche Begleittherapie für die Behandlung einer Major Depression zu sein scheint.

Video: Biofeedback bei Depression   ▶ 

Bluthochdruck

Die Erfolge der Behandlung von Bluthochdruck mittels Biofeedback (vor Allem HRV- und Atembiofeedback, aber auch Temperatur oder Hautleitwertstraining sind möglich) können auch nach Trainingende aufrecht erhalten werden.

Meist können Medikamente reduziert oder sogar völlig abgesetzt werden (hier gilt wieder: alle Medikamenten-bezogenen Entscheidungen, sind immer nur in Absprache mit Ärzten zu treffen).

Video: Biofeedback bei Bluthochdruck   ▶ 

Rehabilitation

Oft ist (z.B. nach Schlaganfällen) die vorhandene Restaktivität des Muskels so schwach, dass der Proband diesen kaum oder gar nicht wahrnehmen kann. Auch der Muskelaufbau in der Rehabilitation dieser Muskeln verlauft dann sehr schleppend. Diese Kombination aus Aufwand und kaum sichtbaren Erfolgen führt oft zu geringer Motivation der Probanden. Biofeedback kann hier dabei helfen die Motivation aufrechtzuerhalten, da selbst kleinste Trainingserfolge rückgemeldet werden und der Proband daher seinen Fortschritt wahrnimmt.

Biofeedback kann die Rehabilitation peripherer und zentraler Lähmungen im Vergleich zu konventioneller physikalischer Training verbessern, beschleunigen, oder unterstützen.

ADHS

Das Ziel der Behandlung von ADHS mit Neurofeedback ist es das die Frequenzbänder des Gehirns so zu trainieren, damit das Beta-Band (stellvertretend für Aufmerksamkeit) stärker zu aktiviert wird und das Theta-Band (stellvertretend für Tagträumerei) vermindert.

Mittels am Kopf befestigter EEG-Elektroden und kindgerechten Rückmeldungen (Cartoons, Märchen) übt das Kind diese Fähigkeit zu erlernen. Die Erfolge von Neurofeedback bei ADHS gehen hier zeitweise sogar über jene der medikamentösen Behandlung hinaus oder sind mit diesen vergleichbar (Medikamenten-bezogene Fragestellungen sind aber immer vorab mit einem Arzt abzuklären).

Video: Biofeedback bei ADHS   ▶ 

Leistungssport

Genauso wie im Berufsleben können Biofeedback und Neurofeedback auch zur Leistungsoptimierung im Sport genutzt werden.

Die Methoden wurden z.B. bereits bei olympischen Athleten, Golfspielern und anderen Sportlern genutzt.

Reizdarm

Insbesondere das HRV-Biofeedback gilt als sehr erfolgreiche Methode zur Behandlung des Reizdarmsyndroms. Studien berichteten hier von Beschwerdefreiheit bei annähernd 70 % der Teilnehmer, wobei der Rest zumindest eine Linderung erlebte).

PTBS

Vor Allem das Atembiofeedback ist in der Behandlung von PTBS sehr populär. Es kann ergänzend zu einer kognitiven Verhaltenstherapie eingesetzt werden. Dieses Vorgehen ist leicht zu ergänzen und gilt als praktische Methode mit hoher Wirksamkeit.

Asthma

Die Behandlung von Asthma mit Biofeedback führt auf zwei Wegen zur Verbesserung. Einerseits erlernen die Probanden, die Angst durch die Bedrohung eines Asthmaanfalls zu verringern, andererseits zeigen sich auch Verbesserungen der Atemkennwerte (insbesondere des forcierten Exspiration-Volumens)

Tinnitus

Oft zeigen sich bei chronischem Tinnitus erhöhte Stress- und Anspannungsniveaus. Biofeedback wird dann genutzt um eben diese Parameter zu beinflussen, z.B. die Anspannung im Kieferbereich. Sehr nützlich ist aber auch der Aspekt den Probanden überhaupt erst die psycho-physiologischen Zusammenhänge der Erkrankung vor Augen zu führen.

Diese Form der Behandlung wird gut akzeptiert, zeigt keine Nebenwirkung und führt zu einer deutlichen Verringerung der Tinnitusbelastung.

Verstopfung

Um Verstopfung mittels Biofeedback zu behandeln, werden z.B. Analsonden und EMG-Biofeedback genutzt. Einige Studien fanden eine Überlegenheit dieses Biofeedback-basierten Vorgehens gegenüber anderen Methoden.

Erektile Dysfunktion

Die Behandlung der erektilen Dysfunktion mittels Biofeedback geschieht auf 2 Wegen. Einerseits kann eine beinträchtigte Beckenbodenmuskaltur der Grund für die Beschwerden sein. In diesem Fall wird mittels Anal-Elektroden dieser Bereich trainiert.

Bei psychogen bedingter Dysfunktion wiederum kann Entspannungstraining hilfreich sein, um das Stresslevel des Probanden zu senken.

Stressdiagnostik

Biofeedback wird auch genutzt, um das individuelle Stress- und Erholungsprofil eines Probanden zu erheben. Dies ist sogar ein zentraler Bestandteil der Biofeedback-Behandlung, da dieses Profil meist der Ausgangspunkt für das weitere Vorgehen ist.

Spannend ist nicht nur die Reaktion des Probanden auf verschiedene Stressoren (wie Kopfrechnen), sondern auch, wie gut sich dieser in darauffolgenden Entspannungsphasen beruhigen kann.

Schlafstörungen

Bei der Behandlung von Schlafstörungen mit Biofeedback wird meist eine Art „Schlafprotokoll“ erlernt. Dieses kann aus verschiedenen Elementen aus dem Spektrum von Biofeedback und Neurofeedback bestehen (Muskelentspannung, Temperaturtraining, Neurofeedback…).

Wenn der Proband dieses Protokoll gewissenhaft geübt hat, kann er es zu Hause beim Schlafengehen nutzen, um schneller einzuschlafen.

Beruf

Biofeedback kann auch in nicht klinischen Bereichen wie z. B. der betrieblichen Gesundheitsvorsorge oder dem Erreichen von beruflichen Spitzenleistungen stattfinden. Diese Bereiche wurden in den vergangenen Jahren immer populärer.

Inkontinenz

Recht ähnlich zur Arbeit in der Rehabilitation verläuft auch das Biofeedback-Training bei Inkontinenz. Hier wird allerdings mittels Vaginal- und Analelektroden (für beide Geschlechter) direkt der Beckenoden trainiert. Die Behandlung zeigt Erfolgsraten von fast 80 % und eignet sich auch für die Behandlung von Sexualstörungen.

Morbus Raynaud

Morbus Raynaud wird umgangssprachlich auch oft als Weißfingerkrankheit bezeichnet. Die Betroffenen leiden häufig an kalten Füßen oder Händen. Der Modus der Wahl ist hier ein Temperaturtraining mittels welchem die Probanden erlernen diese Bereiche willentlich zu erwärmen. Die Literatur berichtet hier von Längen zwischen 5-10 Sitzungen (einzelne Personen zwischen 8-16 oder mehr) um das Erwärmen der Hände zu erlernen. Während zu Beginn unter Entspannungsbedingungen trainiert wird, kann das Training später unter Vorgabe von Kältereizen erschwert erfolgen.

Video: Biofeedback bei Morbus Raynaud   ▶